A Modern New World


2016 - 02 - 13
Matthias Hauser



Prolog

Eine kurz gehaltene Ankündigung, nur 2 Zeilen lang. Über dem Text stehen die Worte: JANUARY 18, 2016 BANNED AND RESTRICTED ANNOUNCEMENT. Darunter, in Textform, das Motto unter dem diese Bannings stehen: DIVERSITÄT.



Kapitel 1: Ein Überblick

Über die Bannings wurde bereits ausführlich geschrieben, geredet und, je nach Standpunkt, entweder gejubelt oder geschimpft (über den Summer Bloom-Bann wohl nur gejubelt).

Egal ob pro oder contra Twin-Bann, eine Änderung des Formats war, auch durch das Erscheinen der neuen Edition Oath of the Gatewatch, auf jeden Fall vorprogrammiert.

Sprung in die Gegenwart. Knapp ein Monat ist vergangen, seit Summer Bloom und Splinter Twin ihren Weg auf die Liste der verbotenen Karten gefunden haben.

Nicht einmal eine Woche ist es her, seit wir das erste große Turnier in diesem neuen Modern Format hatten.

Und nicht einmal eine Woche hat es gedauert, bis sich Teile der Community in Foren und sozialen Netzwerken zusammengerottet haben, um ihre Wünsche für die Zukunft (oder den Niedergang) dieser neuen Modernwelt, in der
Diversität zu einem Trümmerhaufen verkommen sein soll, zu postulieren. Die eine Hälfte, allen voran Owen Turtenwald, steht mit Schaufel und Spaten bereit, um Modern als ProTour-Format zu Grabe zu tragen. Die andere Hälfte ist mit dem Ban-Hammer erschienen, während einige ganz Nervöse sogar den noch größeren Emergency-Ban-Hammer mitgebracht haben (Dass dieser nur für Krüge, aus denen viel zu viele Karten herausfallen, bestimmt ist, wissen sie dabei wohl nicht).

Meiner Meinung nach ist es noch viel zu früh, diese drastischen Schritte zu gehen. Den neuen Wilden sieht man nach Huxley bekanntlich erst auf der letzten Seite sterben.

 

 

Kapitel 2: Am Anfang. Der Tod der Diversität?

Ein kurzer Blick auf die Ergebnisse vom Sonntag lässt erkennen, dass Wizards Plan von einem diversen Modern Metagame augenscheinlich gescheitert sei:

6 Eldazi-Decks und 2 Mal Affinity in den Top8. 40% Eldrazi Decks und 15% Affinity unter den besten 20 Modern Decks. Eldrazi Spieler schafften es 10 Mal öfter 7-3 oder besser in Modern abzuschneiden als nicht-Eldrazi Spieler (nämlich fast 50% der Eldrazi Spieler!!).

Das klingt alles sehr beeindruckend und wirkt zu allererst einmal sehr unfair. In meinen Augen sollte man aber auch einen Blick über diese Zahlen hinaus wagen, die betrachtete Menge an Decks ein wenig erhöhen (Top20 ist doch sehr restriktiv) und kurz überlegen was (bzw wer) sich dahinter verbirgt!

Unter den Top 60 Modern-Decks, das sind alle mit 21 oder mehr Punkten, lassen sich 13 Eldrazi-Decks finden. Das ist immer noch ein Anteil von 22% aber Affinity liegt mit 17% nicht weit davon entfernt!

3 dieser Eldrazi Spieler (Adam Boyd, Jiachen Tao und Andrew Brown) haben die UR-Variante pilotiert, die schlussendlich auch das Turnier gewonnen hat.

Die anderen 10 Eldrazi-Spieler sind alle Mitglieder von Team ChannelFireball oder Face-to-Face Gaming. Könnte in diesen Fällen nicht nur die Wahl des Decks, sondern auch die Tatsache, dass sich das Skilllevel dieser Herren sicherlich weit über dem eines durchschnittlichen Pro-Tour-Spielers bewegt, Einfluss auf die Ergebnisse genommen hat? Könnte es sein, dass über 3000 Lifetime-ProPoints, über 30 Pro-Tour-Top8 und 4 Pro-Tour-Siege dafür
sprechen, dass diese Leute auch ohne das beste Deck einen deutlichen Vorsprung vor dem Rest des Feldes gehabt hätten?

Eine schnelle Durchsicht der verschiedenen Decktypen bringt ein Bild zu Tage, dass doch eher dem gewünschten Ergebnis von Wizards entspricht. Neben den zahlenmäßig dominanten Eldrazi- und Affinity-Decks finden sich nämlich ganze 20 weitere Archetypen (unter den Top20-Decks waren es immerhin noch 8 andere). Darunter sind bekannte Vertreter wie Infect, Burn, Jund und Abzan aber auch neue Innovationen wie Death-Shadow-Aggro oder Mardu.

Die (informierte) Antwort auf die Frage nach dem Tod der Diversität muss also “Jein“ lauten!

Ja, Eldrazi (und zu einem gewissen Teil auch Affinity) nehmen einen übermäßig großen Teil des Metagames unter den Top-Decks ein.

Nein, diese beiden Decks sind nicht die einzigen Top-Performer und es werden auch weiterhin viele Decks valide Möglichkeiten bleiben um Turniere zu gewinnen!

 

 

Kapitel 3: Der Weg in die Moderne Welt

„Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.“ –
George Bernard Shaw

Um das aktuelle Modern-Format und vor allem die Resultate dieser Pro-Tour verstehen zu können, bedarf es des Verständnisses des vorherigen Modern-Formates, seiner Grundpfeiler und was sich wieso geändert hat.

Seit der Einführung des Modern Formates hat es eine große Konstante gegeben.

Diese Konstante war Splinter Twin (in unterschiedlichsten Varianten), quasi die Staatsgewalt in der Modern-Welt.

Was passiert aber wenn man die Polizei beseitigt und gleichzeitig einen Haufen neuer Bösewichte auf die Leute loslässt? Richtig, Chaos, Anarchie und Gewalt. Man könnte sagen in dieser neuen Realität wird erst
einmal alles zerschmettert…

Das große Problem dieses Mal war eben nicht das Wegfallen der Polizei und es war nicht das Freilassen von neuen Bösewichten. Es war, dass beides gleichzeitig passiert ist.

Wenn ein wichtiger (oder vielleicht sogar DER wichtigste) Mitspieler im Metagame auf einmal nicht mehr da ist, bedarf es einer Reevaluierung alter Grundprinzipien.

Umgekehrt müssen, wenn ein wichtiger neuer Mitspieler ins Metagame kommt, gegebenenfalls neue Prinzipien aufgestellt werden.

Meiner Ansicht nach, sind diese beiden Schritte nicht konsequent genug durchgeführt worden!

Eine der wichtigsten Grundsteine des letzten Modernformates war zum Beispiel, dass Sorcery-speed-Massremoval (z.B. Damnation) einfach nicht gut ist, weil es nicht mit der Twin-Combo interagiert.

Ein neuer Grundstein für das neue Modern-Format wird aber wohl sein, dass Massremoval (z.B. Supreme Verdict)  gut ist, weil es sämtliche Eldrazi, egal welcher Größe und vor allem inklusive ihrer nervigen Scions, vom Tisch
räumt.

Ähnlich verhält es sich mit anderen Grundprinzipien, die bisher gegolten haben, wie zB, dass Path+Bolt als Hardremoval reichen, dass Abrupt Decay eine Allzwecklösung ist, oder dass Blood Moon gegen Decks mit
unfairen Ländern vollkommen ausreichend ist.

In der neuen Modern-Welt wirkt Bolt angesichts 4/4 Thought-Knot Seer , 5/5 Reality Smasher und X/5 Vile Aggregate lächerlich, ebenso Abrupt Decay wenn die wichtigsten Kreaturen 4 oder 5 Mana kosten und Turn 3 Blood Moonist gegen Turn 1 Sol Ring (Eye of Ugin) und Turn 2 Ancient Tomb (Eldrazi Temple)  sowieso
viel zu langsam.

Die Leute haben erkannt, dass Karten, die spezifisch gegen Twin gut waren, es nun nicht mehr sind.

Andere Karten, die seit jeher im Format sind wurden allerdings nicht hinterfragt und auf mögliche neue Probleme wurden (noch) keine Antworten gefunden.

All diese Faktoren, plus die Tatsache, dass die Eldrazi-Decks die wichtigen Veränderungen sehr wohl getätigt haben (zB Turn1 Maindeck Chalice und Dismember über Bolt), haben dazu geführt, was wir am Sonntag erleben
durften. Die Geburt einer Neuen Modernen Welt.

 

Kapitel 4: A Whole New Modern World

„Sieh' nur hin, schon passiert es.
Drunter, drüber, du fliegst, als wär' es plötzlich Zauberei.
In meiner Welt fängst du ein neues Leben an.
Hier hörst du niemals "nein", hier kann dir keiner
deine Träume nehmen.“ - Aladdin

Wie also umgehen mit dieser neuen Welt, diesem neuen Format und vor allem diesem neuen Feind?

Am besten Schaufel und Spaten nehmen und das alte Modern und seine Grundsteine zu Grabe tragen! Den Bann-Hammer zweckentfremden, erst Mal den Meissel dazu holen und damit anfangen Grundsteine zu bauen, die wieder Bestand und Gültigkeit haben!

Das Neue nicht verbannen, sondern lernen, damit umzugehen. Sollte sich das Ungetüm nicht zähmen lassen, wird es am Ende ohnehin erlegt, doch bis dahin sollten wir ihm den Auslauf gönnen.

Eine der grundlegenden Neuerungen beim Bekämpfen der Eldrazi (und meiner Einschätzung nach auch der Hauptgrund für die zahllosen Bannrufe) ist, dass es keine klare Antwort auf ihre Strategie gibt. Modern ist (oder
besser war) ein Format in dem Sideboardkarten Matchups komplett dominieren:

Probleme mit Affinity? – Ancient Grudge, Shatterstorm, Stony Silence und gut ist es.

Burn wird unangenehm? – Leyline of Sanctity, Kitchen Finks und Timely Reinforcements regeln das

Zuviel Tron im Meta? – Stony Silence, Blood Moon und Sowing Salt lösen das Problem

Solche spezifischen Hatekarten gibt es gegen Eldrazis eben (noch) nicht (nein, Painter’s Servant finde ich ziemlich furchtbar). Darum bedarf es nun einer Ausrichtung des Gesamtkonzeptes seines Decks auf dieses Matchup. Wenn ich keine Karte habe, die das Deck explizit schlägt muss ich schauen, dass alle Karten, die ich spiele, zumindest entsprechend interagieren können.

Das heißt (wie im vorherigen Kapitel bereits angesprochen), vielleicht weniger Lightning Bolts und mehr Dismember/Path to Exile (vielleicht in Zusammenarbeit mit Loxodon Smiter gegen die bösen Reality Smasher) und
weniger Abrupt Decay und dafür mehr Maelstrom Pulse.

Modern ist ein neues Format, eine neue Welt. Jetzt ist der Zeitpunkt an dem Innovationen und ausgeklügelte Strategien am meisten belohnt werden. The New Modern World is a Brewers World!

 

 

Epilog


An diesem Abend erschien, gleich einer dunklen Wolke, eine zerstörerische Eldrazibrut, zehn Kilometer lang, über die Ödnis ziehend. Ein Bericht über die Lage des Feindes hatte sie angezogen.

„Angriff“ riefen die ersten Ankömmlinge beim Eintreffen. „Angriff, Angriff!“

Keine Antwort.

Die Brücke vor ihnen schien zu leben.  Sie versuchten sie zu überqueren, doch vergebens.

Am anderen Ende der Brücke erblickten sie eine riesige Laterne und daneben einen Mann, ganz in Schwarz gehüllt.

Langsam, ganz langsam, wie zwei bedächtige Kompassnadeln, drehte er seinen Zerreisser und seine Glocke nach rechts. Einmal, zweimal, dreimal,…

Dann hielt er inne und wendete sich der Eldrazibrut zu. Vernichtet lagen sie am anderen Ende der lebendigen Brücke, denn nun war es ihr Zug.




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